Die Moral unparteiisch machen: Eine experimentelle Untersuchung des Schleiers des Nichtwissens
Projektleiter: Pölzler, Thomas
Laufzeit: 05.10.2023 - 04.10.2026
Geldgeber:in: EU (Europäische Kommission)
Drittmittelprojekt (§§ 26-28 UG) (laufend)
Link: https://sites.google.com/view/msca-project-impartial/start
Projektbeschreibung:
Wir leben in einem Zeitalter zunehmender moralischer Uneinigkeit und Polarisierung. Eine mögliche Erklärung für diesen Trend ist Parteilichkeit. Menschen, die auf einer oder beiden Seiten einer umstrittenen sozialen Frage stehen (Abtreibung, COVID-19, Klimawandel usw.), messen den Interessen aller Betroffenen nicht das gleiche oder angemessenes Gewicht bei. Ihre Ansichten beruhen auf Voreingenommenheit oder Vorurteilen. Wege zu finden, Unparteilichkeit zu befördern, könnte daher eine der wichtigsten Herausforderungen sein, vor denen die Menschheit derzeit steht. Mit meinem Projekt möchte ich einen Beitrag zu dieser Herausforderung leisten. Ich werde insbesondere ein bestimmtes Mittel untersuchen, das Philosoph:iinnen zur Förderung unparteiischen Denkens eingesetzt haben, nämlich das so genannte „Schleier des Nichtwissens“ Gedankenexperiment – ein Versuch, von Wissen über das eigene Geschlecht, die Ethnie, das Einkommen und andere moralisch irrelevante Merkmale zu abstrahieren, die Urteile verzerren könnten.
Die bisherige Forschung hat sich nur auf die tatsächlichen Entscheidungen der Menschen hinter dem Schleier des Nichtwissens konzentriert. In meinem Projekt soll dagegen die methodische Eignung dieses Gedankenexperiments untersucht werden. (1) Wie robust ist der Schleier des Nichtwissens (d. h. inwieweit werden die Urteile, zu denen die Anwender:innen des Gedankenexperiments gelangen, durch irrelevante Faktoren beeinflusst)? (2) Wie effektiv ist der Schleider des Nichtwissens (d. h. inwieweit erfüllt er die Funktion, die er erfüllen sollte)? (3) Was sind die philosophischen Implikationen dieser Ergebnisse?
Der Ansatz, den ich bei der Untersuchung dieser Fragen verwenden werde, ist jener der experimentellen Philosophie. Das heißt, ich werde empirische Studien über die Intuitionen von Menschen durchführen und mich in meiner philosophischen Argumentation auf diese beziehen. Von führenden Expert:innen an den Universitäten Tokio (Auslandsphase), Graz (Rückkehrphase), Oxford (Forschungsaufenthalt) und Auckland (Forschungsaufenthalt) betreut, hat meine Forschung das Potenzial, eine Reihe von Debatten sowohl in der Philosophie als auch in der Psychologie maßgeblich zu beeinflussen – und kann hoffentlich auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Moral im öffentlichen Diskurs unparteiischer zu machen.